Dr. Wilhelm Ripke
Vollendung durch Wilhelm Ripke (Auszug)
Liebe Bischofsteiner!
Es ist nicht einfach, eine Persönlichkeit zu würdigen, deren
Einflussnahme auf uns alle in unserer Jugend als liebevoller Berater und schließlich
als väterlicher Freund unser Werden bereicherte.
Wilhelm Ripke kam als Lehrer nach Bischofstein. Er wurde 1886
in Dorpat als Sohn des Schuldirektors Ripke geboren. 1904
absolvierte er in Petersburg das Abitur und war dann 1 Jahr lang Privatlehrer
zweier junger Mädchen in Moskau. 1905 verließ er Russland und promovierte zum
,,Doktor der Exakten Philosophie".
Rpk's vielfältige Aktivitäten in den zwanziger Jahren kann
ich nur stichwortartig erwähnen, um nicht zu weitschweifig zu werden.
Da waren die Literarischen Abende und die Theateraufführungen.
Da war seine Begeisterung für das Theater. Es gab noch einen anderen Rpk: den
naturliebenden Landwirt, den Wanderer. Und zu guter letzt war da noch der
Traumdeuter und Philosoph.
Als 1933 langsam, aber stetig der Nationalsozialismus Einzug
in Deutschland hielt und der Freiheitsbegriff eine andere Deutung erhielt,
konnte Rpk sich nur schwer damit abfinden. Er musste 3 jüdische Schüler
entlassen und verweigerte den Hitlergruß. Das führte natürlich zu
Misshelligkeiten. Bereits am 31.3.1936 musste Rpk auf Veranlassung des Oberpräsidenten
in Magdeburg das Amt des Schulleiters niederlegen. Der linientreue Herr Hoffmann
wurde ihm vor die Nase gesetzt. Trotzdem feierten wir einen unvergesslichen 20.
August.
1947 wurde Bischofstein eine ,,Pädagogische
Fachschule für russisch". Frau Dr. schrieb mir damals: "Du kannst Dir
nicht vorstellen, wie schön alles
geworden ist. Die ollen Stühle und Schränke wurden repariert.
Frisch gestrichen sind sie wie neu. Die Schlafsäle sind ganz gemütliche Zimmer
geworden, in denen 60 junge Menschen leben, Männlein und Weiblein, um die
schwere russische Sprache zu erlernen. Billo gibt 4-5 Stunden täglich
russischen Unterricht und ist wieder ganz in seinem Element." - Diese
Euphorie sollte nicht lange anhalten!
1954 war ein Schicksalsjahr für Rpk und letztlich für uns
Alle. Es war das Todesjahr von Frau Doktor.
Schon bei der 50 -Jahr-Feier , kam in einer unvergesslichen
Rede von Rpk die Tragik der deutschen Teilung, die ihn sehr belastete, zum
Ausdruck. ,,Uns alle in der Ostzone verbindet ein gemeinsames Schicksal der
Hoffnungslosigkeit und Trostlosigkeit, der inneren Not, der Verzweiflung, der
seelischen und geistigen Verödung und der Einkerkerung jeder Bewegungsfreiheit.
Er verfluchte die "idiotische Zonengrenze", die totale Reisesperre und
bezeichnete seine Stimmung als "desperaten Miserabilismus".
Am 4.1.1964 siedelte er nach Hannover um. Er verstarb am
5.3.1965.
Am 10.3. trugen wir ihn zu Grabe - aber nicht seinen
Leitspruch: "Erziehung ist nur möglich durch Freiheit, sonst wäre
sie nicht was sie sein soll: Wagnis." Die Freiheit ist der Atem der Welt!
Helmut Bauer im Jahr 1989
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